Dienstmädchen für ein Jahr von der Norwegerin Sigrid Boo ist ein Roman, der mich an Irmgard Keun und an Jane Austen erinnert – eine ganz tolle Mischung. Das Buch ist von 1930, war damals ein großer Erfolg und wurde gleich dreifach verfilmt, einmal davon in Hollywood. Außerdem bringt der mare Verlag vier hübsche kleine Leinenbände mit Erzählungen klassischer Autorinnen heraus, eine davon In der Bucht von Katherine Mansfield, deren Erzählungen ich immer wieder lesen könnte, sie sind in jeder Hinsicht großartig.
„Newsletter: Schönste Leseempfehlungen zum Wochenende“ weiterlesenNewsletter: Übergänge, Neuanfänge und zwei neue Lieblingsromane
Das alte Jahr endete für mich mit Übergängen, mit zurückblicken, neu bewerten und neu anfangen, ausgelöst durch einen Umzug und durch einen Preis. Das alles hat mit Büchern zu tun, mit meiner Bibliothek und den Büchern, die ich herausgebe und schreibe …
„Newsletter: Übergänge, Neuanfänge und zwei neue Lieblingsromane“ weiterlesenRomantik und moderne Sachlichkeit
In diesen Tagen erscheint in unserer Reihe rororo Entdeckungen Katrin Hollands Buch Man spricht über Jacqueline, ein Roman von 1930, der von Romantik und moderner Sachlichkeit erzählt und von Rollenerwartungen an Männer und Frauen in Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche. Meine Mitherausgeberin Magda Birkmann berichtet in ihrem Nachwort, das ich hier in einer gekürzten Version als Gastbeitrag veröffentlichen darf, von den Hintergründen und davon, wer Katrin Holland war.
Jack Mamroth, die junge, emanzipierte und vor allem sprunghafte Heldin von Katrin Hollands Debütroman Man spricht über Jacqueline, ist eine typische Vertreterin der „Girls“, die so zahlreich die Romane aus der Zeit der Weimarer Republik bevölkern: selbstbewusst, burschikos, knabenhaft schlank mit Bubikopf, Krawatte und stets einer Zigarette im Mundwinkel, auto- und sportbegeistert und auch sexuellen Abenteuern alles andere als abgeneigt. Ihre zahlreichen Eskapaden „genügte[n] natürlich, um Jack in einen gewissen Ruf zu bringen, sie in eine bestimmte Kategorie junger moderner Frauen einzureihen – und Jack – Jack war riesig stolz darauf.“ Die Liebe ist für sie ein reiner Zeitvertreib, ein Spiel, bei dem sie allein die Regeln macht, ohne Rücksicht auf die vielen gebrochenen Herzen, die sie dabei zurücklässt. Bis sie durch Zufall den Schriftsteller Michael Thomas kennenlernt, einen Mann mit altmodischen Moralvorstellungen, der Frauen von Jacks Typ, „die um alle Dinge bescheid wissen und die es auch so offiziell bekennen“, verachtet.
„Romantik und moderne Sachlichkeit“ weiterlesenEin ungeheures Unbehagen
Angelika Mechtels Roman Das gläserne Paradies erzählt von einer Bundesrepublik im Umbruch. Es ist 1971, die Jahre des Wiederaufbaus sind vorbei, das Wirtschaftswunder hat alle materiellen Grundbedürfnisse weitgehend erfüllt, es öffnet sich ein Raum für Ideale wie Selbstverwirklichung und Partizipation. Bei den Frauen, den Studierenden und Arbeiter*innen herrscht Aufbruchsstimmung. Man will weg vom Untertanengeist der Ära Adenauer und betreibt zusammen mit dem SPD-Bundeskanzler Willy Brandt die Modernisierung, Liberalisierung und Demokratisierung der Gesellschaft. Gleichzeitig formieren sich konservative Gegenbewegungen, beispielsweise mit der Gründung der NPD. Genau von diesen Verschiebungen und Verwerfungen in der Gesellschaft erzählt Angelika Mechtel anhand der Familie Born. Ursprünglich erschienen 1973, legen wir Das gläserne Paradies nun in der Reihe rororo Entdeckungen neu auf.
„Ein ungeheures Unbehagen“ weiterlesen„Der Boden war mit zerstörten Illusionen übersät“
Simone de Beauvoirs Die Mandarins von Paris
Heute erscheint der große Roman Die Mandarins von Paris von Simone de Beauvoir in der Neuübersetzung von Amelie Thoma und Claudia Marquardt im Rowohlt Verlag. Ich habe ihn in den letzten Jahren gleich zwei Mal gelesen und das sehr gern, weil er in der Breite wie im Detail, vom Politischen bis zum Persönlichen und Zwischenmenschlichen eine Welt des Umbruchs erzählt und uns damit siebzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen wieder viel zu sagen hat. Für die neue Übersetzung, die den Text so modern wirken lässt wie zur Zeit seines ursprünglichen Erscheinens, durfte ich ein ausführliches Nachwort beisteuern. Hier – als kleiner Appetitmacher – eine gekürzte Fassung.
„„Der Boden war mit zerstörten Illusionen übersät““ weiterlesenDie zwei Gesichter der Shirley Jackson
Morgen erscheint mit ALLES WIE IMMER der zweite Roman, den Shirley Jackson über die Zeit mit ihren vier Kindern in den USA der 1950er Jahre geschrieben hat. Ich habe ihn für den Arche Verlag ins Deutsche übersetzt, und er ist genauso komisch wie KRAWALL UND KEKSE und genauso abgründig, vielleicht beides sogar noch ein bisschen mehr. Wie es kam, dass eine Autorin, die für ihre literarischen Horror-Romane bekannt war, zugleich so leicht und locker schrieb, darüber habe ich für den ersten Band ein Nachwort geschrieben, das nun auch hier auf dem Blog zu lesen ist. KRAWALL UND KEKSE gibt es jetzt übrigens auch als Taschenbuch.
„Die zwei Gesichter der Shirley Jackson“ weiterlesenEs geht weiter mit rororo Entdeckungen
Über eine alleinerziehende Mutter von vier Kindern in den 1920er Jahren, über eine junge Hexe, die während des Ersten Weltkriegs auf einer Insel in der Themse lebt, und über eine Frau, die in den 1980er Jahren mit ihrem Anwaltsgatten und ihren Kindern in der New Yorker Park Avenue ein Vorzeigeleben führt, bis sie sich in einen anderen Mann verliebt. Die drei neuen Bände der von mir und Magda Birkmann herausgegebenen Reihe rororo Entdeckungen, in der wir in Vergessenheit geratene Autorinnen neu herausbringen, stammen von Liesbet Dill, Stella Benson und Laurie Colwin.
„Es geht weiter mit rororo Entdeckungen“ weiterlesen„Einige Herren sagten etwas dazu“
In dieser Woche ist mein neues Buch erschienen, in dem es um die Autorinnen der Gruppe 47 geht. Denn es waren auch Frauen bei den legendären Treffen der Nachkriegszeit, neben den bekannten Namen Günter Eich und Wolfdietrich Schnurre, Günter Grass und Heinrich Böll, Martin Walser und Hans Magnus Enzensberger. Die eine Autorin, die unverzichtbar zur Gruppengeschichte gehört, ihre Schlumpfine gewissermaßen, ist Ingeborg Bachmann, die verehrt, aber auch mit Häme überzogen wurde wie keine andere. Annähernd alle anderen Frauen wurden im Zuge der Literaturgeschichtsschreibung und der Legendenbildung mehr oder weniger gründlich aus der Geschichte herausgeschrieben: Ilse Schneider-Lengyel, die Gastgeberin des ersten Treffens, die eben nicht nur Gastgeberin war, sondern Fotografin, Ethnologin und Autorin. Mit ihren surrealistisch geprägten Gedichten wussten die Kriegsheimkehrer nichts anzufangen und machten sich über sie lustig. Ruth Rehmann, die 1958 ein Kapitel aus dem Roman las, an dem sie gerade arbeitete, und Begeisterung und Anerkennung dafür erntete – nur leider las am Tag darauf ein weitgehend unbekannter Grafiker und Lyriker ebenfalls aus seinem unveröffentlichten Roman. Er hießt Die Blechtrommel und begeisterte noch viel mehr. Gabriele Wohmann, deren genaue Schilderungen von Paarbeziehungen der Mentalitätsgeschichte eines ganzen Milieus gleichkommen. Gisela Elsner, deren scharfe Satiren auf die Wohlstandsgesellschaft den Zuhörenden zu viel waren. Und noch einige andere Autorinnen, die eine Entdeckung wert sind.
„„Einige Herren sagten etwas dazu““ weiterlesenNewsletter: Lieblingsromane 2023 und ein Blick ins nächste Jahr
Hoffentlich noch rechtzeitig zum Wünschen und Verschenken kommen hier meine Lieblingsromane des vergangenen Jahres. Beginnen tue ich aber mit einem Sachbuch, das mir in diesem Jahr besonders nachgegangen ist und das viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als es bekommen hat: „Lebewohl, Martha“, Die Geschichte der jüdischen Bewohner meines Hauses von Ingke Brodersen, erschienen im Kanon Verlag. Die Historikerin ist der Geschichte des Hauses nachgegangen, in dem sie lebt, einem Jahrhundertwendebau mit acht Parteien im Bayrischen Viertel Berlins. Sie erzählt von den vierundzwanzig jüdischen Bewohner*innen, die 1942 deportiert wurden, rekonstruiert ihr Leben und die Spuren, die nach der „eifrig schreddernden deutschen Nachkriegsgesellschaft“ von ihnen geblieben sind. Dabei gelingt ihr das Kunststück, sowohl mit respektvoller Distanz, als auch nah und persönlich zu berichten, was sie vorgefunden hat, was mit Sicherheit feststeht und worum es wahrscheinlich ergänzt werden muss. Ein beeindruckendes Buch, das durch den aufflammenden Antisemitismus in diesem Jahr eine traurige Aktualität bekommen hat. Umso dringender meine Empfehlung.
„Newsletter: Lieblingsromane 2023 und ein Blick ins nächste Jahr“ weiterlesenEnid Blytons „Dolly“ revisited
Das Büchertagebuch, das ich mit elf Jahren anfing zu führen, beginnt mit Enid Blytons Dolly. Ich las im Winter Band 1 bis 12, wiederholte das Ganze im nächsten Winter samt des neu erschienenen 13. Bandes und im Jahr darauf nochmal samt des neuen 14. Bandes. Dann hörte ich damit auf, ab 1986 verstaubten die Dolly-Bücher neben den noch zahlreicheren Hanni-und-Nanni-Büchern in meinem Regal. Trotzdem zogen sie Jahrzehnte lang jedes Mal wieder mit mir um, sie gehörten irgendwie zu mir, und ich wünschte mir, dass sie eines Tages auch meine Tochter lesen würde, lange bevor ich eine Tochter hatte.
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