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… den Blog und mich

Auf diesem Blog geht es um Literatur, um Literatur von Frauen – Neuerscheinungen, Klassiker und Bücher, die eine (Wieder-)Entdeckung wert sind. Nicht zu verwechseln mit „Frauenliteratur“, ein Begriff, dem die Abwertung immer schon eingeschrieben ist, schon weil sein Gegenstück eben nicht „Männerliteratur“ ist, sondern einfach „Literatur“. Elena Ferrante hat in einem Interview mal gesagt, sie hätte „hoch gebildete, sehr reflektierte Bekannte, die dazu neigen, das ganze Schaffen der Frauen, ob Philosophie, Literatur oder anderes, zu ignorieren oder mit höflicher Ironie kleinzureden.“ Diese Bekannten haben wir wohl alle, sonst kennen wir diese Stimmen aus den Medien. Dass diese Abwertung systematisch geschieht, hat die US-Amerikanerin Joanna Russ in ihrem Buch How to Suppress Women’s Writing gezeigt, das 1983 erschien, aber leider nie ins Deutsche übersetzt wurde. Darin untersucht sie anhand zahlreicher Beispiele, auf welche Weise Literatur von Autorinnen quer durch die Geschichte abgewertet und unterdrückt wurde. Sie zeigt, dass weibliches Schreiben praktisch behindert wurde. Dass die weibliche Fähigkeit zu schreiben in Frage gestellt wurde. Dass Frauen abgesprochen wurde, ihre Texte selbst geschrieben zu haben. Dass Frauen dafür, überhaupt zu schreiben, lächerlich und verächtlich gemacht wurden. Dass die Gegenstände weiblichen Schreibens als uninteressant und wertlos dargestellt wurden. Dass die Werke von Autorinnen minder gewerteten Arten und Gattungen von Literatur zugeordnet wurden. Dass wenn, dann nur einzelne Titel oder Teilaspekte ihres Schaffens gewürdigt, ihr Werk aber nicht als Ganzes kanonisiert wurde. Und dass die Autorinnen, die es in den Kanon schaffen, als Ausnahmen markiert wurden. Was dazu führt, dass weibliche Traditionslinien in der Literaturgeschichte übersehen wurden. Autorinnen wurden aus Kanon und Curriculum getilgt.

Vierzig Jahre nach Joanna Russ’ Analyse gibt es immer noch neue Beispiele für das, was sie beschrieb. Rebecca Solnit beginnt ihren 2015 erschienen Essay Wie Männer mir die Welt erklären damit, wie ihr auf einer Dinnerparty ihr eigenes Buch erklärt wurde von einem Mann, der nicht für möglich hielt, dass sie die Autorin dieses in seinen Augen so wichtigen Sachbuchs war. Auch nach dreimaligem Hinweis drang diese Tatsache noch nicht zu ihm durch. Viele glauben, Elena Ferrante, die unter Pseudonym schreibt und sich sämtlichen Vermarktungsritualen des Betriebs entzieht, sei ein Mann, oder hinter dem Pseudonym verberge sich gar eine Gruppe von Männern. „Haben Sie heutzutage je die Frage gehört, ob ein von einem Mann unterzeichnetes Buch in Wirklichkeit von einer Frau oder einer Gruppe von Frauen geschrieben wurde?“, fragt Ferrante die Interviewerin, die sie mit dieser Vermutung konfrontiert. Und Siri Hustvedt berichtet von einem Journalisten, der ihr unterstellte, ihr erster Roman sei in Wirklichkeit von ihrem Mann Paul Auster geschrieben worden. In Rezensionen wird bis heute regelmäßig in Frage gestellt, dass Autorinnen ihre Texte bewusst so geschrieben haben. Genauso regelmäßig dienen Themen, die immer noch für ausschließlich weiblich gehalten werden, in einem Text dazu, diesen als trivial abzutun.

Autorinnen werden von den Verlagen immer noch allzu oft aus den literarischen Kernprogrammen herausgehalten und in die kommerzieller gehaltenen Imprints gesteckt, die überregionalen Feuilletons befassen sich zu zwei Dritteln mit den Werken von Männern, und wenn die Bücher von Autorinnen besprochen werden, dann mit größerer Wahrscheinlichkeit von einer Frau. Es ist eine Frage der Auswahl, der Aufmerksamkeit, eine Frage dessen, was den Redaktionen relevant erscheint und damit auch eine Frage tief verwurzelter Vorurteile, wie und wozu Frauen sich eigentlich äußern können und sollen. Dazu empfehle ich das großartige Buch Frauen und Macht mit zwei Vorträgen der Althistorikerin Mary Beard, die dieses Thema bis zu den alten Griechen zurückverfolgt. Dass Marcel Reich-Ranicki meinte, Frauen könnten keine Romane schreiben, nur Gedichte, und müssten mit jeder Art Schreiben aufhören, sobald sie Kinder bekommen, ist noch nicht ganz so lange her, und seine Fans und Nachahmer sind bis heute in der Literaturkritik unterwegs.

Wir dürften fast alle in der Schule kaum Literatur von Autorinnen gelesen und viel mehr Literatur von Männern im Regal stehen haben als von Frauen*, und dafür gibt es keinen guten Grund. Im Gegenteil: Es gibt viel nachzuholen und zu entdecken. Daran möchte ich mit diesem Blog mitwirken.

Noch ein paar Worte zu mir: Ich lebe mit meiner Familie in Hamburg, wo ich Bücher lese, schreibe, herausgebe und übersetze. Bevor ich anfing, frei zu arbeiten, habe ich im S. Fischer Verlag eine Ausbildung zur Verlagsbuchhändlerin gemacht und in Berlin Amerikanistik und Vergleichende Literaturwissenschaften studiert. Anschließend habe ich über die Tagebücher von Virginia Woolf, Sylvia Plath und Katherine Mansfield promoviert und in den Lektoraten verschiedener Buchverlage gearbeitet.

Nicole Seifert