Gerade ist bei @kiwi_verlag der neue Roman von Julian Barnes erschienen. Ich hab ihn im letzten Jahr auf Englisch gelesen und jetzt in der Übersetzung von Gertraude Krueger gleich noch mal, denn er gehörte 2018 zu meinen zwei absoluten Lieblingsbüchern. .
„Jeder Mensch hat seine Liebesgeschichte. Jeder. Vielleicht war sie eine Katastrophe, vielleicht ist sie im Sande verlaufen, vielleicht ist sie gar nicht richtig in Gang gekommen, vielleicht gab es sie nur in Gedanken, das macht sie nicht weniger real. Manchmal macht es sie noch realer. […] Jeder Mensch hat eine. Es ist die einzige Geschichte.“ .
Ich hätte keine Schwierigkeiten, hier zehn Zitate aus DIE EINZIGE GESCHICHTE zu bringen, die ich großartig finde, über die Ungreifbarkeit des Vergangenen, über den Rausch des Liebens, diesen Ausnahmezustand, der im Fall dieser Geschichte eine Wendung nimmt, die der Erzähler nicht vorhergesehen hat. Paul ist für immer gezeichnet von seiner einzigen Geschichte, immer wieder fragt er sich: Ist er verantwortlich für das, was geschah? Kann er sich auf seine Jugend berufen? Hätten sie einen anderen Weg nehmen, ihre Liebe nicht leben sollen? .
„Er überflog ein paar durchgestrichene Einträge, dann legte er das Notizbuch in die Schublade zurück. Vielleicht war das alles nur Zeitverschwendung gewesen. Vielleicht war die Liebe niemals in einer Definition zu erfassen; sie war überhaupt nur in einer Geschichte zu erfassen.“ .
In diesem Roman hat Barnes sie auf jeden Fall zu fassen bekommen. Und wie schon in VOM ENDE EINER GESCHICHTE erweist er sich auch hier wieder als Meister der Dramaturgie: der letzte Satz des ersten Teils - wunderbar! Mich hat dieses Buch sehr ergriffen, eine große Liebesgeschichte und eine Meditation über das Werden und Vergehen der Liebe, so klug und sensibel, so traurig, schön und wahr, wie es nur Julian Barnes versteht. .
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Die 1975 geborene Sarah Moss ist dem Independent zufolge „zweifellos eine der besten britischen Autorinnen der Gegenwart“. In Deutschland ist sie noch weitgehend unbekannt, man könnte auch sagen: ein Geheimtipp. Gerade ist beim @mareverlag ihr vierter Roman erschienen, „Gezeitenwechsel“ – ein Buch, das mir besonders am Herzen liegt, denn ich habe es ins Deutsche übersetzt. Als Übersetzerin liest man ein Buch viele Male: bevor man sich an die Arbeit macht, währenddessen, man überarbeitet den eigenen Text und liest ihn dann noch einmal gegen. Später sieht man die lektorierte Fassung durch, und einige Wochen darauf kommen dann die Druckfahnen, die auch noch mal auf letzte Unstimmigkeiten gelesen werden müssen. Die Lust dazu hält sich, nachdem man ein Buch schon so gut kennt, manchmal in Grenzen, aber bei „Gezeitenwechsel“ habe ich mich aufs Lesen der Fahnen gefreut. Es ist ein Roman, der dem häufigen Wiederlesen standhält, der für mich immer noch gewonnen hat. Es geht, wie so oft bei Sarah Moss, ums Elternsein, ums Lieben, um Leben und Tod; dabei wird es immer auch politisch.
Adam, Anfang vierzig, verheiratet mit der Ärztin Emma, hauptberuflich Vater von zwei schulpflichtigen Töchtern und nebenberuflich freier Dozent, erhält eines Vormittags einen Anruf: "Hier spricht Victoria Collier, sagte sie, und ich brauchte einen Augenblick, bis mir klar wurde, dass es Mrs. Collier war, die Rektorin von Miriams Schule. (...) Es ist etwas passiert, sagte sie, mit Miriam." .
Den Rest der Besprechung könnt Ihr auf meinem Blog lesen. Ein tolles, schonungsloses, aber vor allem: tröstliches Buch.
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Es gibt Bücher, die lassen einen mit Gesprächsbedarf zurück, sei es, weil das Gefühl bleibt, dass sich Zusammenhänge nicht erschlossen haben, sei es, weil das Ende Fragen aufwirft, oder weil besonders kontroverse Themen behandelt werden. Solche Bücher möchte ich aussuchen für den Nacht-und-Tag-Online-Lesekreis. Von den Büchern, die ich bisher besprochen habe, hätte sich zum Beispiel „Asymmetrie“ von Lisa Halliday angeboten oder „Die polyglotten Liebhaber“ von Lina Wolff, beides Bücher, die mich nach dem ersten Lesen aus verschiedenen Gründen erstmal etwas ratlos gemacht haben. Bei solchen Romanen ist es ein Gewinn, sich auszutauschen. Bestimmt entdecken wir gemeinsam neue Zusammenhänge und Lesarten. Ich bin gespannt... .
Elena Ferrantes „Frau im Dunkeln“, aus dem Italienischen übersetzt von Anja Nattefort, gerade erschienen im @suhrkampverlag, ist ein schmaler, motivisch dichter und atmosphärisch intensiver Roman, dessen Thema immer noch weitgehend tabuisiert ist. Es geht um die Überforderungen des Mutterseins und die daraus resultierenden Bedürfnisse: Was, wenn das Gefühl der Selbstaufgabe bei aller Liebe zu den Kindern unerträgliche Ausmaße annimmt? Eine hochinteressante Frage, gerade für deutsche Leser*innen, ist der Muttermythos bei uns doch ideologisch in einem Maße aufgeladen wie in keinem anderen westlichen Land (wen das genauer interessiert, dem empfehle ich Barbara Vinkens Buch „Die deutsche Mutter, Der lange Schatten eines Mythos“). Im Original 2006 erschienen, also vor der vierbändigen neapolitanischen Saga, ist „Frau im Dunkeln“ Ferrantes dritter Roman und der Autorin zufolge der, dem sie „am schmerzhaftesten verbunden ist“. Mehr zum Inhalt und zum Ablauf der Leserunde, die jetzt freigeschaltet ist, auf www.nachtundtag.blog. Wer kommt mal gucken?
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Eigentlich wollte ich zum Todestag von Paula Fox, der sich am 1. März zum zweiten Mal jährt, einen Beitrag zu dieser großen amerikanischen Autorin bringen, in dem ich ein bisschen über ihr Werk und über die Biografie von Bernadette Conrad schreibe. Dann habe ich angefangen zu lesen und wiederzulesen, und ich bin so begeistert, dass ich beschlossen habe: Es werden eher drei bis vier Beiträge, denn jedes Buch verdient einen eigenen. Los geht es heute mit „Die vielen Leben der Paula Fox“, der bei @c.h.beckliteratur erschienenen Biografie. Die Literaturkritikerin und Journalistin Bernadette Conrad hat Paula Fox anlässlich eines Porträts, das sie über sie schreiben sollte, 2008 in Brooklyn besucht; Paula Fox war 85 Jahre alt. Die beiden haben sich danach oft gesehen, sich viel geschrieben, und Conrad ist auf Fox' Spuren durch Amerika und Europa gereist ist, um Stationen ihres Lebens aufzusuchen, Familie und Freund*innen zu treffen.
Es ist ein bewegtes, ungewöhnliches Leben, das damit beginnt, dass das Neugeborene von Hand zu Hand gereicht wird, denn die Eltern wollen es nicht behalten. Viele Stationen, kein eigentliches Zuhause - so wird es ihre Kindheit über weitergehen. Trotz dieser harten Bedingungen schreibt die 19-Jährige, als sie mehr oder weniger gezwungen wird, ihr eigenes erstes Kind zur Adoption freizugeben, auf einen Zettel, auf dem sie ihren Beruf angeben soll: „I want to be a writer.“ Es sollte dauern, bis sich dieser Wunsch erfüllte, erst mit Mitte vierzig ließ das Leben es zu, war die Lebenshälfte der Wanderschaft vorbei, die Lebenshälfte des Schreibens begann. .
„Schriftstellerin zu sein, sagte mir Paula Fox einmal, hieße zur Anwältin von Widersprüchen zu werden; jener vielen Grautöne, die zwischen Schwarz und Weiß lägen. Schriftstellerin sein hieße zunächst einmal: fühlen wollen.“ (159)
Paula Fox stellt diese Zwischentöne meisterhaft dar, ohne zu psychologisieren, knapp und ökonomisch und in genialen Bildern. Oft wird man beim Lesen ihrer Romane an andere große amerikanische Autoren erinnert: An die stille Verzweiflung bei Tennessee Williams, die Ehen bei Edward Albee, die beredte Knappheit von Raymond Carver. 👇🏻 Weiter in den Kommentaren
Heute wurde ich gefragt, welche guten, empfehlenswerten Autorinnen es aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt. Voilà, hier eine Auswahl. Aus dieser Zeit stammen ein paar der ganz großen Autorinnen, und da es bei mir fast immer um Gegenwartsliteratur geht, freue ich mich, heute mal zu präsentieren: #simonedebeauvoir #dorothyparker #virginiawoolf #katherinemansfield #sylviaplath #ingeborgbachmann #edithwharton #taniablixen #marthagellhorn #djunabarnes #irmgardkeun #nancymitford #marlenhaushofer
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Wohl kaum jemand ist frei von der Annahme, dass die eigenen Meinungen, Werte und Lebensweisen denen „der anderen" überlegen sind. Der gesellschaftliche Druck, sich zu definieren und zu verwirklichen, der heute wesentlich größer ist als noch vor wenigen Jahrzehnten, ist kaum zu trennen von dem Bedürfnis, sich von anderen abzugrenzen, sich dabei auf- und andere abzuwerten. Wie sich diese Selbstgerechtigkeit im einzelnen äußert und was sie genau für Auswirkungen hat, das zeigt die Wiener Soziologin Laura Wiesböck in ihrem bei @kremayrscheriau erschienen Buch anhand verschiedener gesellschaftlicher Bereiche und Beispiele, darunter Politik, Einwanderung, Geschlecht, Kriminalität und Konsum. Dabei werden sehr anschaulich und klar auf knapp 200 Seiten komplexe Zusammenhänge nachvollziehbar. Sehr lesbar und sehr lesenswert.
Fazit: .
„Die Spielarten und Ausdrucksformen der Selbstgerechtigkeit variieren, manche kommen aus der Mode, manche bleiben, einige neue treten hinzu. Was durchgehend notwendig bleibt, ist parallel dazu immer wieder von Neuem die Trennkräfte der moralischen Auf- und Abwertung aufzuspüren, hervorzuholen und sichtbar zu machen und den strengen Blick, den man auf andere wirft, vielleicht des Öfteren auch einmal auf sich selbst zu verlagern. Denn frei von diesen Mustern ist niemand. Zumindest auf der Ebene sind wir alle gleich.“ .
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